Historische Mikroskope: Datierungshilfen

 

 

Schwer bzw. manchmal sogar unmöglich ist eine Datierung von alten Mikroskopen, die keine Signatur oder andere Herstellermerkmale tragen. In den glücklicheren Fällen lässt sich ein Gerät durch Literaturstudium altersmäßig bestimmen. Baugleichheiten oder ähnliche Konstruktionsmerkmale lassen unter Umständen eine entsprechende Schlussfolgerung zu. Eine große Hilfe können auch Preislisten alter Hersteller, Kataloge von Auktionshäusern oder von Museen mit Mikroskop-Sammlungen darstellen. Zusätzlich sei auf die einschlägige Literatur hingewiesen, die in den meisten Fällen eine Vielzahl von Abbildungen enthält.

 

Doch es gibt auch unsignierte Mikroskope, bei denen die oben beschriebenen Ansätze versagen. Hier kann man sich nur mit allgemeinen Angaben über das verwendete Material eines Gerätes oder bestimmte Ausstattungsmerkmale einem ungefähren Entstehungszeitpunkt annähern. Die folgenden Angaben sollen helfen, über den Entstehungszeitpunkt eines Mikroskops Rückschlüsse zuzulassen. So kann der ungefähre Zeitpunkt, in der ein Gerät entstanden sein kann, eingeengt werden.

 

Für die Zeit von ca. 1670 bis 1780 ist die Verwendung von Walnussholz, einem Papptubus (manchmal auch unter Verwendung von Leder mit Goldprägung) und Messing für Stellschrauben und Muttern typisch. Auch schwarzes Ebenholz diente zu der Zeit als Rohstoff.

 

Im 18. Jh. verwendeten die Hersteller von Mikroskopen auch Haifischhaut, Rochenleder oder andere Fischlederarten. Die Kästen kleinerer Reise- und Screw-Barrel-Mikroskope sind häufig mit diesem Material überzogen.

 

Linsenfassungen bestanden in dieser Zeit vorwiegend aus dem aus Südamerika stammenden harten Guajakholz, das sich gut mit Gewinden zum Schrauben versehen ließ.

 

Schon im frühen 18. Jh. wurde Messing als Material für Stativ und Tubus bei den Mikroskopen verwendet. Zu dieser Zeit war Messing zwar noch teuer, dafür arbeitete es nicht wie Holz und war nicht verformbar. Gegen Ende des 18. Jh. setzte sich dann das gut zu bearbeitende Messing als Rohstoff im Mikroskopbau schließlich durch. Man kann sagen, dass sich ab ca. 1780 fast nur noch Messingstative feststellen lassen. Dieses Material wurde bis gegen Ende des 19. Jh. beibehalten, dann aber zunehmend durch vernickeltes oder später durch verchromtes Messing ersetzt.

 

Die Nürnberger Holz-Mikroskope stellen im Hinblick auf das Messing allerdings eine Ausnahme dar. Sie wurden aus Kostengründen auch bis ca. 1830 aus Holz mit einem aus bedrucktem Papier überzogenen Papptubus gefertigt. Sie sind gewissermaßen ein Anachronismus, stellten aber wegen ihrer begrenzten Leistungsfähigkeit in optischer Hinsicht für die zu der Zeit üblichen Messinggeräte keine ernsthafte Konkurrenz dar.

 

Bei einfacheren Mikroskopen fand schon ab ca. 1850 – vermutlich aus Kostengründen - Eisen, meist schwarz oder grün lackiert, zunächst als Fuß Verwendung. Zu Beginn des 20. Jh. und kurz davor gingen viele Hersteller dazu über, Fuß und Stativ aus lackiertem Gusseisen herzustellen.

 

Silber als Rohstoff erlangte keine Bedeutung, wenn man von einigen Prunk-Mikroskopen für Herrscher der damaligen Zeit einmal absieht. Häufig taucht es als Material für den Spiegel nach Lieberkühn auf, bildete aber kaum einen bedeutenden Bestandteil am gesamten Mikroskop. Als Zubehör wurde der 1740 erfundene "Lieberkühn" bis ca. 1880 vielen Mikroskopen beigegeben.

 

Bei den frühen Mikroskopen vom Typ Culpepper bestanden die pyramidenförmigen Kästen zunächst aus Eichenholz, seit Mitte des 18. Jh. wurde zunehmend Mahagoni verwendet. Ein Spiegel bei diesem Gerätetyp setzte sich seit etwa 1720 bis 1730 durch.

 

Auch bei anderen Mikroskopen konnte Mahagoni für die Kästen und Schränke seit ca. 1740 vermehrt eingesetzt werden, weil der Importzoll für das aus Westindien kommende Holz 1733 stark gesenkt worden war.

 

Doch nicht nur die Objektträger bestanden aus Elfenbein bzw. Knochen, sondern auch Schraubengewinde, Handgriffe der Screw-Barrel-Mikroskope z. B. oder auch Griffe von Hebeln zur Verstellung des Tisches oder anderer Einrichtungen. Elfenbein wurde bis Ende des 18. Jh. üblicherweise verwendet. Es gibt sogar deutsche Mikroskope, z. B. ein großes Mikroskop von Pistor, das - sonst komplett aus Messing gefertigt - noch bis ca. 1850 mit Elfenbein- bzw. Knochengriffen versehen waren.

 

Um die Mitte des 19. Jh. führte man die standardisierte Deckglasdicke ein. Seitdem sind Objektive mit Brennweiten von 3,2 mm und kürzer mit einer Korrektionsfassung versehen.

 

Als ein weiteres Indiz zur Altersbestimmung eines Mikroskops kann auch die schmückende Bördelung am oberen Okularrand und anderen Teilen des Mikroskops herangezogen werden. Nach Betrachtung einer großen Anzahl sehr alter Mikroskope, lässt sich generalisierend feststellen, dass diese Bördelung bis ca. 1810/20 in den meisten Fällen schräg verläuft. In den Folgejahren gab es vermutlich aus produktionsvereinfachenden Gründen fast nur noch eine senkrecht zum Tubus verlaufende Bördelung.

 

Auch die Präparatehalter waren einer Veränderung unterworfen. So wurden die üblichen großen aus Holz bestehenden oder die kleineren aus Elfenbein oder Knochen bestehenden ab etwa 1830 durch Glasplatten ersetzt.

Alle gegebenen Anmerkungen zu den verwendeten Materialien können natürlich nur ungefähre Anhaltspunkte darstellen, wenn es darum geht, das Alter eines unsignierten Gerätes annäherungsweise zu bestimmen.

 

Eine wichtige Frage ist die der Zaponierung. Oder gibt es auch Mikroskope, die nicht zaponiert sind? Schon im 18. Jh. wurde Messing mit einer Schutzschicht überzogen. Auf das blanke Messing wurde ein Schutzlack aufgetragen, der dann eine oftmals unschöne Patina verhindert. So können gut erhaltenen Mikroskope noch nach weit mehr als 100 Jahren perfekt aussehen, wenn sie nicht zu sehr durch Gebrauch unansehnlich geworden sind.

 

Ursprünglich trug man zum Schutz Schellack auf die Messingteile auf. Erst ab ca. 1900 verwendete man Zaponlack. Den Unterschied kann man erkennen. Alter Schellack hat kleinste Poren, die dann oxydieren können und kleine schwarze Punkte auf der Messingoberfläche ergeben. Bei den Herstellern war die Art der Zaponierung eine Wissenschaft für sich und beruhte auf Erfahrungen.

 

Heutzutage finden sich manchmal Mikroskope, die erst in der jüngsten Vergangenheit nachzaponiert worden sind. Das lässt sich daran erkennen, dass diesem neu aufgetragenen Lack die Poren fehlen. Außerdem lassen sich in den meisten Fällen "Tropfnasen" finden, die sich beim Auftragen des Lacks kaum vermeiden lassen. In diesen Fällen ist von einem Kauf eher abzuraten. Ein nachzaponiertes Mikroskop hat unter Sammlern seinen Wert leider verloren. Wer genügend alte Mikroskope gesehen hat, kann schon aus der Färbung des Zaponlacks auf eine nichtfachmännische Behandlung eines Mikroskops in neuerer Zeit schließen.

 

Ob man bei einem erst in neuerer Zeit nachzaponierten Mikroskop dann noch einem Sammler zum Kauf raten soll, lässt sich eindeutig verneinen. Ein Sammlerstück ist ein dermaßen bearbeitetes Instrument nicht. Ein altes und im Originalzustand erhaltenes Mikroskop mit Gebrauchsspuren ist einem erst kürzlich nachzaponierten Instrument auf jeden Fall vorzuziehen.

 

Ähnliches lässt sich sagen, wenn ein historisches Mikroskop mit neuen Schrauben, einem Spiegel eines anderen alten Mikroskops oder anderen Fremdteilen aufgehübscht worden ist.


(Copyright Björn U. Kambeck 07/2012)